GRÜNER FRIEDHOF STUTTGART: Diesel-Autos droht Fahrverbot in Stuttgart
Das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied: Fahrverbote für Dieselautos sind möglich. Eine Luftverschmutzung müsse notfalls auch mit Fahrverboten eingedämmt werden.
Es geht rund. Die Grünen haben es geschafft: Friedhofsruhe kann einkehren. Der Autoverkehr wird stillgelegt. Eine Wirtschaft, deren Erfolg maßgeblich von der Mobilität abhängt, muss erhebliche Einschränkungen bis hin zum Stillstand hinnehmen. Die autofreie Innenstadt kann kommen.
Die grünen Sturmtruppen haben es geschafft: Nichts geht mehr in der Hauptstadt Baden-Württembergs. Feinstaubalarm. Fahrverbot immer dann, wenn die Messinstrumente die von der EU heruntergesetzten Grenzwerte überschreiten. Und das tun sie im Winter oft, liegt Stuttgart doch in einem Talkessel, an dessen zentraler Stelle sich die Verkehrsströme aus allen Richtungen kreuzen mit dementsprechenden Folgen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied: Fahrverbote für Dieselautos sind möglich. Eine Luftverschmutzung müsse notfalls auch mit Fahrverboten eingedämmt werden. Es gab damit einer Klage des Abmahnvereins Deutsche Umwelthilfe DUH recht.
Diese NGO überzieht derzeit die Städte mit Klagen auf Einhaltung der neuen EU-Grenzwerte für Luft. Deren Chef, Vielflieger Jürgen Resch, will mit Allmachtsphantasien am liebsten ein generelles Fahrverbot durchsetzen. Die DUH hatte 2015 Klage gegen den Stuttgarter Luftreinhalteplan eingereicht, dessen Folgen der NGO nicht weit genug reichten. Die Luft sei nur mit einem generellen Fahrverbot sauber zu bekommen. Dem folgten die Verwaltungsrichter nicht vollständig; sie sagten nur, dass Fahrverbote ein wirksames Mittel seien, um die Luftbelastung zu reduzieren. Die ab 2020 geplante Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen hielten sie für nicht wirksam genug, sie komme außerdem zu spät. Auch Teillösungen wie zeitweilige oder räumlich beschränkte Verbote sind für sie nicht ausreichend.
Die Folgen für die innerstädtische Wirtschaft dürften beträchtlich sein. Keine Lieferverkehre mehr, keine Käufer mehr, Friedhofsruhe in der Stadt. Aber dafür weniger Feinstaub und Stickoxide. Wenn überhaupt. Denn der Autoverkehr trägt nur knapp zur Hälfte bei.
Das wird jedenfalls prächtige Bilder ergeben: Stuttgart Neckartor, eine der belebtesten Straßenecken in Stuttgarts Innenstadt – leer. Konrad-Adenauer-Straße, eine fürchterliche Schneise, die die Stuttgarter in den Nachkriegsjahren durch die Ruinen gezogen haben und sehr belebt ist – leer. Rund um den Hauptbahnhof, Ausfallstraße Richtung Pragsattel, wo sich sonst die Verkehrsströme bewegen – leer.
Ausgerechnet ein grüner Verkehrsminister und ein grüner Ministerpräsident müssten Anfang kommenden Jahres, wenn die »Feinstaubsaison« beginnt, Hunderttausenden das Autofahren verbieten. Eine Plakettenlösung diesmal mit der Farbe blau, wie sie auch die Richter befürworteten, dürfte ebensowenig bringen, wie es seinerzeit die grüne Plakette getan hat.
Die Politiker im Autoland Baden-Württemberg müssen verkaufen, was ihre Gesinnungsgenossen in den EU-Gremien ihnen eingebrockt haben. Wie sich der Zorn der wütenden Bürger entwickeln wird, kann sich niemand vorstellen. Waren bisherige Diskussionen um Einschränkungen des Autoverkehrs noch weitgehend akademischer Natur mit zwar teuren, aber überschaubaren Auswirkungen, so werden Hunderttausende betroffen sein. Die dürften langsam begreifen, welch heftiges Spiel hier im Namen des Umweltschutzes und der Gesundheit getrieben wird.
Der Diesel macht den Anfang. Der Diesel ohne Filter bläst in eineinhalb Stunden noch die Menge an Feinstaub heraus, wie sie beim Rauchen einer Zigarette entsteht; mit Filter kommt praktisch nichts mehr aus dem Auspuff heraus. Mehr schädliche Stoffe pustet ein Auto mit Benzinmotor heraus, seitdem der Diesel mit aufwendiger und teurer Technik sauber geworden ist. Der dürfte als nächstes dran sein.
Das Auto stehen lassen und den Nahverkehr benutzen kann nur ein Teil derjenigen, die nach Stuttgart müssen. Wer es kann, tut dies bereits. Mit dem Fahrrädle die steilen Berge an Stuttgarts Hängen hinaufzustrampeln – das schaffen nur noch die kräftigen Jungs der Radkurierdienste. Kein Zweifel: Die Luft in den Städten ist deutlich sauberer als früher geworden. Dazu tragen die Abgasreinigungssysteme der Autos beträchtlich bei. Die Luft in den Innenstädten entspricht nicht den Qualitäten eines Kurortes. Sie ist zwar deutlich sauberer geworden. Noch mehr geht nur, wenn sämtliche Menschen aus den Städten verschwinden und eine mobile Gesellschaft verschwindet. Denn nur auf dem Friedhof ist die Feinstaubbelastung weitgehend reduziert.
Die Messstelle am Neckartor befindet sich an der Stelle, an der die meisten Autos vorbeirollen. Daher steigen auch die Werte bei entsprechenden Wetterlagen im Talkessel an. Der Autoverkehr produziert etwa die Hälfte des Feinstaubes. Verbieten müssten die Grünen auch die Heizungen. Schöne Vorstellung grüner Parolen im Winter: Frieren gegen Feinstaub.
Politisch heftig umkämpft sind die Positionen der Luftmessstellen. Würde die Messstelle am Neckartor ein paar Meter von der Straßenkante verschoben, lägen die Werte innerhalb der EU-Grenzen. Die EU Regelungen würden das erlauben. Denn die Verteilung der Schadstoffe ist beileibe nicht überall gleichmäßig. Spitzen sind naturgemäß direkt an den Straßenkanten zu messen. Aber dahinter steht ein sorgfältig gepflegter Kampf der Grünen gegen das Auto: Noi, Deine Messschtelle verschiebe mer ned! Immerhin rechnet die Stadt seltene Spitzen, die zum Beispiel durch Streusalz im Winter oder herbeigewehter Sand aus der Sahara entstehen, aus den Messwerten heraus. Würde dagegen die Stadt Geld für mehr Straßenreinigung ausgeben, würde der Feinstaub an den Straßenrändern weggespült und könnte nicht aufgewirbelt werden und wäre damit drastisch reduziert. Früher regelmäßige Praxis in den Städten.
Wie es in der Stadt, in der Gottlieb Daimler den Motorwagen entwickelte und in der die Automobilität ihre ersten Schritte tat, weitergeht, ist offen. Die schwarz-grüne Landesregierung will das Urteil zunächst sorgfältig prüfen, bevor sie über eine mögliche Berufung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet. Es handele sich um ein »sehr komplexes Urteil«, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Deshalb müsse zunächst die für August angekündigte schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden.
Einstweilen bleibt nur die Ahnung, welche Bilder im Januar über die Bildschirme flimmern werden: Kamerateams (wie kommen die ohne Auto dahin?) schwenken über leere Straßen und Plätze, nehmen Geschäftsleute vor ihren leeren Shops auf und zeigen einen DUH-Chefmillionär auf leerer Straßenkreuzung. Der fliegt natürlich eigens dafür nach Stuttgart.
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