Im Bann der Moore: Zwischen Romantik und Realität – Die Kontroverse um die Wiedervernässung als ökologischer Wendepunkt.
Ein Blick in die Vergangenheit offenbart eine Zeit, in der Moore als lebensfeindlich und gefährlich galten. Hermann Löns, der in seinen Werken die raue Natur und die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt einfühlsam beschrieben hat, würde wohl das einstige Schaudern beim Überqueren der moorigen Landschaften in Erinnerung rufen. Doch heute, in einer Zeit, in der der Mensch über die Jahrhunderte hinweg diese Gebiete erobert und trockengelegt hat, steht die Frage im Raum: Sind die Moore wirklich erobert, oder haben wir einen natürlichen Verbündeten in einem fortwährenden Kampf gegen den Klimawandel übersehen?
Die Idee, trockengelegte Moorgebiete wieder zu vernässen, wirft einen Schatten des Rückschritts auf das Bild unserer modernen Zivilisation.
In der Ära der Hungerkünstler sollen magere Lebensräume wiederhergestellt werden, um den ökologischen Wert der Moore als Kohlendioxidspeicher zu erkennen. Doch während die Romantik der Naturmystik wieder auflebt, bringt die Wiedervernässung auch unangenehme Konsequenzen mit sich. Holger Douglas schaut hin, wenn Bäume und Sträucher einem nahezu toten Lebensraum weichen und kärgliche Überreste von Pflanzen sich in Form von Kohlenstoff ablagern.
Die Geschichte der Trockenlegung, die einst als Fortschritt gefeiert wurde, erinnert an mühevolle Zeiten, als Bohlenwege über sumpfige Landschaften gebaut werden mussten, um Handelswege zu erreichen. Doch mit dem Verschwinden der sumpfigen Gebiete verschwanden auch die gefürchteten Mücken, Überträger von Sumpfkrankheiten wie Malaria. Die Trockenlegung bedeutete für die Bewohner eine Erleichterung, doch heute stellt sich die Frage, ob die Vergangenheit uns eine Lektion über die Verbindung zwischen Moorgebieten und Krankheiten erteilt hat, die wir nicht übersehen sollten.
Die Forderung nach Wiedervernässung, begleitet von romantischen Vorstellungen, ignoriert nicht nur die Kosten und Herausforderungen, sondern birgt auch das Risiko erheblicher Methanemissionen.
In einer Zeit, in der harte Fakten von romantischen Vorstellungen überlagert werden, wird die Wiedervernässung zu einer fragwürdigen Lösung. Vielleicht sollten wir uns besinnen und sorgfältig abwägen, bevor wir das Erbe unserer Vorfahren, die mühsam trockengelegten Moore, leichtfertig zurückweisen.
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Lesen Sie hier bei uns den Beitrag von Holger Douglas:
„Der Autor ist der Wissenschafts- und Technikjournalist Holger Douglas, der schon seit langem Dokumentationen mit Schwerpunkt »Wissenschaft und Technik«. produziert und früher für die öffentlich-rechtlichen Anstalten arbeitete, als die noch Etats und einen Sinn dafür hatten. Heute arbeitet Douglas für Sender auf dem weltweiten Markt, darunter das erste wöchentliche Wissenschaftsmagazin »An Kathab« für den arabischen Sender Al Jazeera.
Douglas schaut hin
Moore sollen wiedervernässt werden – Ein Rückschritt
Lebensfeindlich und ein bisschen gruselig: Moore waren lange Zeit ein Gegner. Aber der Mensch hat sie über die Jahrhunderte erobert und trockengelegt. Das ist heute umstritten. Denn Moore speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt. Jetzt sollen sie wieder vernässt werden.
Die Zeit der Hungerkünstler soll wieder zurückkommen. Entsprechende magere Lebensräume sollen wiederhergestellt werden. Denn Moorflächen sollen wieder unter Wasser gesetzt werden. Dort können nur noch Pflanzen einigermaßen existieren, die bei erheblichem Mangel an Nährstoffen noch leidlich existieren können und denen mineralstoffarmes Regenwasser genügt. In dem sauren und sauerstoffarmen Milieu eines Moores gibt es sonstige Nährstoffe kaum mehr. Das Wasser hat nämlich alles Leben wie Bäume, Sträucher und Pflanzen regelrecht ersäuft. Noch nicht einmal mehr Bakterien können ihrer Aufgabe nachgehen und abgestorbene Pflanzenmasse zersetzen, damit aus den organischen Resten neues Leben entstehen kann. Das Wasser nimmt auch ihnen den Sauerstoff.
Solch lebensfeindliche Bedingungen sollen wieder hergestellt werden. Worüber die Vorfahren froh waren, soll wieder rückgängig gemacht werden: Trockengelegte Moorgebiete sollen wieder vernässt werden. Das Bild zeigt anschaulich, was passiert: Bäume und Sträucher sterben ab, aus einem reichhaltigen Bewuchs wird ein nahezu toter Lebensraum. Die kärglichen Überreste von Pflanzen lagern sich in Form von Kohlenstoff ab.
Moore – vor allem Hochmoore – sind Mangelgebiete. Die besonderen Umweltbedingungen in Mooren führen dazu, dass sich in den Böden und dem umgebenden Wasser nur sehr begrenzte Mengen an Nährstoffen befinden. Nur einige wenige spezielle Moorpflanzen wie Torfmoose, Heidekrautgewächse und spezialisierte Gräser haben Mechanismen entwickelt, um in diesen kargen Umgebungen zu überleben und zu gedeihen.
Es ist ein natürlicher Prozess, der Moore entstehen lässt. Eine Torfbildung beginnt typischerweise in feuchten, niedrig gelegenen Gebieten. Pflanzenreste wie Moose, Gräser, Wurzeln und Holz können nicht vollständig abgebaut werden, weil der Sauerstoffmangel deren Zersetzung behindert. Beteiligt sind normalerweise Bakterien, die Sauerstoff benötigen. Wenn der fehlt, kann dieser Prozess, wie er normalerweise in gut durchlüfteten Böden geschieht, nicht mehr funktionieren. Unvollständig zersetzte Pflanzenreste sammeln sich im Laufe der Zeit an und bilden eine Schicht aus lockerem, schwammigem und hochporösem Material – eben Torf. Diese – je nach Pflanzenarten und Grad der Zersetzung – hellbraune bis dunkelbraune oder schwarze Substanz dient als Brennstoff oder als hervorragende Blumenerde.
Die unvollständig zersetzten pflanzlichen Materialien enthalten viel Kohlenstoff, der normalerweise bei der Zersetzung in Form von Kohlendioxid freigesetzt würde. Durch die Bildung von Torf bleibt der Kohlenstoff jedoch im Boden gebunden. Dies verleitete Umweltbewegte mit eher geringer Kenntnis der Zusammenhänge zu der Idee, die Moore müssten wieder vernässt werden, damit das böse Kohlendioxid nicht in die Atmosphäre entweichen und das Klima der Erde zerstören könnte. Als noch niemand mit der Idee, »CO2 müsse weg«, glänzenden Geschäften nachging, sondern dieses Molekül als wesentliches Elixier des pflanzlichen Lebens betrachtet wurde, waren die Menschen froh über die Trockenlegung von Mooren.
Moore galten als lebensfeindliche Umgebung, gefährlich war es, durchs Moor zu gehen. »O schaurig ist’s über’s Moor zu gehen«, heißt es in einer Ballade von Annette von Droste-Hülshoff, in der es um das noch nicht »grün« geprägte Verhältnis zwischen Mensch und Natur geht, »wenn das Röhricht knistert im Hauche!« Ertrinken kann man nicht wie in einem See, nur sich aus der sumpfigen, schlickigen Masse selbst befreien, wenn man eingesunken ist, ist kaum mehr möglich. Ein Fehltritt ist gefährlich. Doch immerhin konserviert das Moor außerordentlich gut. Sauerstoffmangel und die antibakteriellen Wirkstoffe der Torfmoose sorgen dafür, dass Moorleichen nicht verwesten, sondern sehr gut erhalten geblieben sind.
Besonders unangenehm für unsere Vorfahren, wenn das Klima mal wieder langsam feuchter und kälter wurde. Klimawechsel gab es – auch daran muss erinnert werden – schon immer. Dies ist vor allem für die Menschen, die Moorgebiete bewohnten, eine sehr unerquickliche Erfahrung: Sie konnten nicht mehr ihre angestammten sicheren Wege durch die sumpfige Landschaft benutzen, um zu ihren Siedlungen zu kommen. Sie mussten neue Bohlenwege bauen, um mit ihren Wagen wieder zu den Handelswegen zu kommen und am Handel teilnehmen zu können. Ein außerordentlich mühevolles Unterfangen: Es genügte nicht, grob zugehauene Bohlen in die moorige Landschaft zu legen, die wären rasch aus dem Verbund ausgebrochen und weggeschwemmt worden. Mit Pfählen mussten die Bohlenwege im Untergrund abgestützt werden und waren im Prinzip wie Hängebrücken konstruiert.
Bei starken Regenfällen konnten diese Bohlenwege mit aufgeschwemmt werden und die Verbundkonstruktion hielt zusammen. In einigen Fällen waren die Bohlenwege nur wenige 100 Meter lang, von einer Sandkuppe zur nächsten, in anderen Fällen konnten sie durchaus wesentlich länger werden. Im Moorgebiet bei Bardenfleth nahe der Weser konnte sogar ein Bohlenweg nachgewiesen werden, der erstaunlicherweise über sechs Kilometer verlief.
Die sumpfigen Gebiete verschwanden mit der Trockenlegung und mit ihnen vor allem auch die zahllosen Mücken. Die übertragen die gefürchtete Sumpfkrankheit auch als Sumpffieber bekannt. Die Anwohner der Moore erkrankten häufig an Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Müdigkeit. Die Folgen waren in der Regel lebensbedrohlich, wenn die Krankheit nicht rechtzeitig behandelt wurde.
Der einzellige Parasit Plasmodium falciparum verursachte Malaria, die zu schweren Komplikationen führen kann wie Organversagen, Anämie und zerebrale Malaria. Dessen Verbreitung war nicht nur auf Moorgebiete beschränkt, sondern berüchtigt waren in früheren Zeiten auch die Rheinebene und andere feuchte, sumpfige Regionen in Mitteleuropa. Dort waren die Bedingungen für die Mückenpopulationen besonders günstig. Stehende Gewässer, feuchte Böden und warme Temperaturen boten den Mücken ideale Brutstätten, um sich zu vermehren und die Krankheit zu verbreiten.
Betroffen davon war auch Friedrich Schiller. Der Dichter musste 1783 nach seinem Theaterstück »Die Räuber« aus Württemberg nach Mannheim fliehen; er hatte für ein Jahr einen Vertrag als Theaterschriftsteller bekommen. Zu dieser Zeit wütete wieder einmal eine Malaria-Epidemie in der Rheinebene. Allein in Mannheim sollen 2000 Einwohner gestorben sein. Auch Schiller erkrankte im Alter von 24 Jahren und hatte zeitlebens mit der Erkrankung zu kämpfen.
1826/27 waren in Teilen Schleswig-Holsteins 30 Prozent der Bevölkerung mit Malaria infiziert. Die Malaria war – daran muss wieder erinnert werden – in Mitteleuropa heimisch. Erst als der badische Ingenieur Johann Gottfried Tulla 1809 die Begradigung der durch die oberrheinische Tiefebene mäandrierenden Rheinarme initiierte, verschwanden zum großen Teil jene Sumpfgebiete und mit ihnen auch die Malariamücken. Trockengelegte Sümpfe und Moorgebiete, begradigte Flüsse und der Bau von Kanalisationen – all dies bedeutete Fortschritt. Die Brutstätten der Mücken wurden zerstört und führten dazu, dass die Malaria verschwand. 1974 wurde sie in Europa als ausgerottet erklärt. Es scheint, als sei diese Erfahrung weitgehend vergessen.
Umso unbedarfter kann die Wiedervernässung der Moore gefordert werden. Dabei werden allerdings auch erhebliche Mengen an Methan freigesetzt. In sauerstoffarmen Umgebungen wie eben Mooren bauen bestimmte Mikroorganismen organische Materialien ab, dabei entsteht neben anderen Faulgasen eben Methan. Methanogenese heißt dieser biologische Prozess, der auch aus den sibirischen Sumpfgebieten bekannt ist. Dort entweichen den im Sommer aufgeweichten Böden erhebliche Mengen an Methan in die Atmosphäre. Dies gilt in der Rangfolge der vorgeblich klimaschädlichen Gase als noch weit vor dem Kohlendioxid rangierend.
Aber was zählen harte Fakten, wenn romantisierender Rückschritt als Fortschritt verkauft werden soll? Schon gleich gar nicht gibt es einigermaßen valide Mengenabschätzungen, wie viel CO2 in Mooren gebunden würde und welchen Anteil dies ausmacht. So heißt es in einem Papier der Universität Greifswald: »Die Emissionen von Treibhausgasen (Kohlendioxid und Lachgas) aus entwässerten Mooren erreichen bis zu 27 Prozent der Gesamtemissionen der Länder. Entwässerte landwirtschaftlich genutzte Moore sind verantwortlich für 80 Prozent der CO2-Emissionen aus der landwirtschaftlichen Landnutzung in der EU.«
Fünf Prozent der Landfläche Deutschlands sollen von Mooren bedeckt gewesen sein, heute sollen es 3,6 Prozent sein, die sich vor allem in der norddeutschen Tiefebene und im Alpenvorland befinden. 3,6 Prozent der Fläche Deutschlands also sollen für das Weltklima verantwortlich sein. Deutschland wiederum soll nach den Rechenspielen für zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sein.
Klar ist nur, dass es sich um eine extrem teure Maßnahme handelt. Von Landwirten wird verlangt, dass sie ihre Flächen aufgeben sollen. Die mit vielen Mühen entwässerten Moore sind heute hervorragende landwirtschaftliche Flächen und dienen vornehmlich der Weidetierhaltung und dem Anbau von Mais. Rund 1,1 Millionen Hektar Moorflächen werden in Deutschland bewirtschaftet; insgesamt hat 16 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen. Dafür müssten Landwirte Entschädigung und Alternativen erhalten.
Doch zur Zeit hat wieder grüne Naturmystik die Oberhand gewonnen. Symbole der Magerzeit werden gebenedeit, weg mit Leben, Nahrung, Energie – die Zeit für Hungerkünstler soll wieder kommen; hinfort mit fetten Gräsern, an denen Kühe weiden können, Pflanzen und Bäume sollen vom Moor ertränkt werden. Immerhin können dermaleinst wieder Torfstecher dann das Moorgeschwehle stechen und daraus Torfziegel fertigen, die in kargen Stuben ein bisschen Wärme erzeugen.
Wer einmal die Gelegenheit hat, sich einen Torfabbau in Nordwestdeutschland anzuschauen, wird feststellen, dass sich unter dem meist flachen Moor die Reste von Kiefernwäldern befinden. Diese borealen Wälder sind nach dem Ende der letzten Eiszeit auf der noch kargeren Tundra entstanden. Damals war das Klima kalt und trocken. Erst mit Beginn des Atlantikums vor ca. 9000 Jahren drehte sich der Wind und kommt seither beständig aus westlichen Richtungen. Seine Niederschläge sind bis heute die Grundlage unseres Wohlstandes und unserer hohen landwirtschaftlichen Erträge. Die damit einhergehende Moorbildung war nur ein kurzes Intermezzo, bis es der Schaffenskraft des Menschen gelungen ist, diese weiten flachen Niederungen für den Ackerbau zu erschließen.
Würde man es tatsächlich ernst meinen mit der Speicherung von CO2, so würde man nach der Abtorfung Ackerland entstehen lassen, denn Ackerboden speichert wesentlich schneller und wesentlich mehr Kohlenstoff als es die mageren Torfböden je könnten. Oder würde man es ernst meinen mit Naturschutz und CO2-Speicherung, so würde man aus diesen Gebieten stattdessen auf natürlichem Wege Waldgebiete entstehen lassen, so wie das Biosphärenreservat Spreewald.
Die von grüner Weltfremdheit geforderte Wiedervernässung ist die denkbar schlechteste aller möglichen Lösungen.
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